Da wir in einer Marktwirtschaft leben, sollte ihre Funktionsweise eigentlich der gesamten Bevölkerung bekannt sein. Leider tun sich selbst studierte Fachleute damit schwer, grundlegende (volks)wirtschaftliche Zusammenhänge zu verstehen. Eine kleine Zusammenstellung, um sich gegen den gröbsten Unfug zu schützen
Die folgenden Quellen sind als kleine Einführung in die weite Welt der Ökonomik zu verstehen. Da sie zugleich so angeordnet sind, dass sie eine spezifische Argumentation ergeben, können sie auch von aufgeschlossenen Kaufleuten und UniabsolventInnen zur kritischen Reflexion ihres Wissens benutzt werden.
Leute ohne Vorwissen indes sollten sich selbst den Gefallen tun, sich mit den verlinkten Quellen nicht der Reihe nach zu befassen, sondern mit dem zu beginnen, was einen am meisten interessiert oder wo die größten Fragezeichen bestehen.
Da ich die wichtigsten Aussagen der Texte und Vorträge kurz zusammenfasse, kennst du am Ende meiner Auflistung auf jeden Fall alle relevanten Argumentationsschritte, auch wenn du einige Quellen überspringst oder auslässt.
Da wir in einer Geldgesellschaft leben, sollten wir auch beim Geld beginnen. In seinem Onlineblog führt der Hochschuldozent Michael Paetz an wesentliche ökonomische Grundlagen heran, die leicht einsehbar sind, aber in der öffentlichen Debatte sehr schnell untergehen. Dazu gehören folgende Tatsachen:
a) Die Ausgaben des einen sind die Einnahmen eines anderen, was auch bedeutet:
b) Die Ausgaben des Staates sind die Einnahmen von Bevölkerung und Unternehmen.
c) Die Geldschulden des einen sind das Geldvermögen eines anderen („Saldenmechanik“), was auch bedeutet:
d) Die Schulden des Staates sind das Vermögen von Bevölkerung und Unternehmen.
e) Wir leben in einem zweistufigen Geldsystem, in dem es (staatliches) Zentralbankgeld und (privates) Giralgeld gibt.
Link: https://was-ist-geld.de/
Für den tieferen Einstieg bietet sich folgende Onlinevorlesung an: https://was-ist-geld.de/vorlesung-geldtheorie-politik-sommersemester-2020/
Mit vielen Quellen, die ich hier verlinke, wird man sich selbst in den meisten wirtschaftlichen Studiengängen nicht befassen. Das hängt damit zusammen, dass sie der heute üblichen und an den Unis gelehrten „Vorstellung“ von Wirtschaft widersprechen. Die vorherrschende Mainstream-Ökonomik fußt nämlich auf der neoklassisch geprägten Wirtschaftstheorie, die sich ab den 1970er Jahren weltweit als Standard durchgesetzt und konkurrierende Ansätze weitgehend erfolgreich delegitimiert hat.
In ihrem erhellenden und zugleich sehr erschreckenden Vortrag geht die Ökonomie- und Philosophieprofessorin Silja Graupe auf die jüngere Ideengeschichte der heute vorherrschenden Wirtschafstheorie ein und zeigt insbesondere, welches Bildungsverständnis die Neoklassik transportiert.
Bitte folgendes YouTube-Video am PC anhören, die Tonqualität ist leider sehr dürftig:
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Mehr InformationenEine umfangreichere Einführung in die Entwicklung der vorherrschenden Wirtschaftstheorie gibt Walter Ötsch, Professor für Kultur- und Wirtschaftswissenschaft:
https://www.youtube.com/playlist?list=PLxR1evLJul6bX87GMvm1JVeE7I3am3fOz
Eine Übersicht über die wichtigsten ökonomischen Theorieansätze findet sich auf: https://www.exploring-economics.org/de/orientieren/
Eines der populärsten Missverständnisse, das immer wieder in öffentlichen Debatten, aber auch in Wirtschaftsstudiengängen auftaucht, besteht in der Funktionsweise von Banken. Die meisten Leute gehen davon aus, dass Banken für die Vergabe von Krediten lediglich vorhandenes Geld „weiterreichen“ würden. Das ist aber erwiesenermaßen falsch.
Richard A. Werner ist Professor für Finanzwissenschaften und hat 2013 mit einer kleinen deutschen Volksbank ein empirisches Experiment durchgeführt, um die Frage zu klären, woher eine Bank das Geld für einen Kredit nimmt. Das unumstößliche Ergebnis seiner zwei Studien: Banken schöpfen bei jeder Kreditvergabe neues Geld vollständig aus dem Nichts! Banken sind also keine „Geldverleiher“, sondern in Wahrheit autonome Geldproduzenten – eine Eigenschaft, die von der Mainstream-Ökonomik bis heute geleugnet wird.
Studie 1: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1057521914001070
Studie 2: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1057521915001477
Eine 30-minütige Video-Zusammenfassung findet sich bei Maurice Höfgen:
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Mehr InformationenAuch bei der staatlichen Verschuldung führen die gängigen Vorstellungen in Politik und Medien vollkommen in die Irre. Abwechselnd bekommen wir da zu hören, unser Staat verschulde sich bei seiner Bevölkerung, den Kapitalmärkten oder anderen Nationen. Nichts davon ist richtig, wenn man genauer nachfragt und hinsieht.
Denn ebenso wie Banken schöpfen auch Staaten mit eigener Währung Geld aus dem Nichts. Eigentlich sollte auch diese Tatsache selbstverständlich sein – immerhin besitzen Staaten das Währungsmonopol und agieren demzufolge als Währungsherausgeber. Die vorherrschende Wirtschaftstheorie analysiert aber den Staat genauso, wie sie einen Privathaushalt analysiert – und ist damit blind für die wesentlichen Unterschiede zwischen der volkswirtschaftlichen Logik des Staates und der privatwirtschaftlichen Logik der Bevölkerung.
Untersucht man die technischen Prozesse staatlicher Zahlungsabwicklung, so kommt man jedoch zwingend zu der Erkenntnis, dass eine Regierung in Kooperation mit der Zentralbank jedes Mal neues Geld aus dem Nichts erschafft, wenn sie eine Staatsausgabe in eigener Währung tätigt. Das neu geschaffene Geld der Regierung macht sich als „Staatsdefizit“ bemerkbar und führt aufseiten der Bevölkerung zu neuen Einnahmen und Überschüssen.
Entsprechende Studien, die diese Zusammenhänge empirisch belegen, liegen beispielhaft für Deutschland, die USA und Großbritannien vor. In seinem 20-minütigen Video klärt der Volks- und Betriebswirt Maurice Höfgen über diese Faktenlage auf und zeigt, was genau passiert, wenn ein Staat sich „verschuldet“ – und dass die Beschaffung von neuem Geld für einen Staat mit eigener Währung niemals ein relevantes Problem ist.
Video von Maurice Höfgen:
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Mehr InformationenFallstudie Deutschland:
https://www.ipe-berlin.org/fileadmin/institut-ipe/Dokumente/Working_Papers/ipe_working_paper_138.pdf
Fallstudie USA:
https://www.levyinstitute.org/publications/can-taxes-and-bonds-finance-government-spending
Fallstudie Großbritannien:
https://www.ucl.ac.uk/bartlett/public-purpose/publications/2022/may/self-financing-state-institutional-analysis
Wenn man akzeptiert hat, dass sowohl Staaten als auch Geschäftsbanken neues Geld aus dem Nichts erschaffen, hat man den ersten Schritt getan, um das große Ganze langsam in den Blick nehmen zu können.
Die zweite Frage lautet dann:
In welchem Verhältnis stehen eigentlich staatliche und private Geldschöpfung?
Der Wirtschafts- und Geldsoziologe Aaron Sahr befasst sich aus einer sozialwissenschaftlichen Perspektive mit dieser Fragestellung. In seinem Vortrag geht er auf einige Gründe ein, warum
a) die staatliche Geldschöpfung aus dem Nichts kaum jemandem bekannt ist, obwohl der Staat bekanntermaßen das „Währungsmonopol“ besitzt
b) die private Geldschöpfung der Banken von Fachwelt und Öffentlichkeit nicht als solche erkannt wird
c) die private Geldschöpfung immer weiter zu-, die staatliche Geldschöpfung dagegen immer weiter abnimmt und
d) wir heute bereits in einer Welt leben, in der sich Geldschöpfung und Wirtschaftswachstum voneinander entkoppelt haben, weshalb der finanzielle Wohlstand der (Über)Reichen schneller ansteigt als der materielle Wohlstand der breiten Bevölkerung.
Verursacht werden diese ganzen Missstände Sahr zufolge von einer „Ideologie des unpolitischen Geldes“, die die vorherrschende Wirtschaftslehre in den letzten Jahrzehnten erfolgreich implementiert hat. Eine wesentliche Folge davon ist, dass der finanzpolitische Handlungsspielraum von gewählten Parlamenten im Laufe der Zeit immer kleiner geworden ist – was, wie etwa am Aufstieg der AfD zu sehen ist, mit immensen Gefahren für die Akzeptanz demokratischer Strukturen und die politische Stabilität liberaler Gesellschaften einhergeht.
Video zum Vortrag:
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Mehr InformationenEine umfangreichere Problematisierung findet sich hier: https://www.soziopolis.de/missverstaendnisse-und-missverhaeltnisse-monetaerer-souveraenitaet-in-europa.html
Wer über Geld spricht, muss über Inflation reden. Aber auch hier hat sich im Laufe der Zeit ein massiver Irrglaube verselbstständigt, da die Mainstream-Ökonomik einen automatischen Mechanismus zwischen Geldmenge und Inflationsrate unterstellt. Gegen diese als Monetarismus bezeichnete Vorstellung gibt es aber ebenfalls gewichtige Einwände.
In seinem aufschlussreichen Vortrag zeigt Heiner Flassbeck, langjähriger Chefökonom der Welthandels- und Entwicklungskonferenz der UN, dass
a) die Verbraucherpreisinflation sehr stark von der Lohnentwicklung abhängig ist und damit die Verteilung von Geld eine wesentliche Rolle spielt
b) deshalb die Lohnpolitik einen erheblichen Einfluss auf die Inflationsrate hat, wofür aber nicht die Zentralbank zuständig ist, sondern die Regierung
c) die deutsche Niedriglohnpolitik seit Anfang der 2000er Jahre dazu geführt hat, dass Deutschland das für alle Euroländer verbindliche Inflationsziel von 2 Prozent langfristig unterschritten hat
d) deshalb deutsche Produkte im internationalen Handel relativ gesehen günstiger wurden und Deutschland den anderen Euroländern damit Auslandsnachfrage gestohlen hat
e) Deutschland deshalb seit 1999 seine Arbeitslosigkeit faktisch in andere Länder exportiert hat
f) Deutschland mit seinen dauerhaften Exportüberschüssen und der staatlichen Sparpolitik andere Länder in die „Überschuldung“ treibt und
g) der deutsche Unternehmenssektor seit Anfang der 2000er Jahre nicht mehr ausreichend investiert und sich verschuldet.
Flassbeck war 1998/99 unter der Regierung Gerhard Schröders Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und macht seit Jahrzehnten darauf aufmerksam, zu welcher desaströsen Wirtschaftspolitik es führen kann, wenn man grundlegende volkswirtschaftliche Zusammenhänge nicht versteht oder (wie die neoklassische Wirtschaftstheorie) aktiv ausblendet.
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Mehr InformationenInflationäre Phänomene, so können wir im Anschluss an die Arbeiten von Heiner Flassbeck festhalten, sind also im Wesentlichen immer Verteilungskonflikte um finanziellen und materiellen Wohlstand. Gesellschaftliche Verteilungskonflikte hängen aber heutzutage nicht mehr von Gottes Gnaden ab, sondern werden mithilfe politischer Macht ausgefochten.
Dass eine sehr vermögende Person (auf legale und illegale Weise) einen größeren politischen Einfluss geltend machen kann als eine Person, die kaum etwas besitzt oder in Armut lebt, ist ein leicht einsehbarer Gedanke. Leider ist die heutige Mainstream-Ökonomik auch auf diesem Auge blind, denn da sie Geld lediglich als potenzielles „Tauschobjekt“ für reale Güter erachtet, nimmt sie beträchtliches (Geld)Vermögen nicht als Machtfaktor wahr.
Für abhängig Beschäftigte indes (zu denen in Deutschland fast 90 Prozent der Erwerbstätigen gehören) ist ein bedeutendes Machtmittel die Organisation in Gewerkschaften. Heinz-Josef Bontrup ist langjähriger Professor für Arbeitsökonomie gewesen und beschäftigt sich in seinem Vortrag
a) mit den Gründen für die sinkenden Mitgliedszahlen und die immer schwächer gewordene Verhandlungsstärke der deutschen Gewerkschaften
b) mit der einseitigen Interpretation von Löhnen als (betriebswirtschaftliche) Kosten, während ihre Funktion als (volkswirtschaftliche) Einnahmen weitgehend ausgeblendet wird und
c) wie die neoklassisch „informierte“ Politik der letzten Jahrzehnte sich immer weiter vom Ziel der Vollbeschäftigung entfernt hat, wodurch sie unfreiwillige Arbeitslosigkeit billigend in Kauf nimmt.
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Mehr InformationenZur Vertiefung: https://www.maskenfall.de/?p=11323
Die auseinanderdriftenden Machtverhältnisse zwischen Unternehmen (den eigentlichen „Arbeitnehmern“) und Beschäftigten (den eigentlichen „Arbeitgebern“) haben weltweit dazu geführt, dass über die Schöpfung und Verwendung von neuem Geld immer weniger demokratisch entschieden wird. Zusätzlich wird die politische Gestaltungs(über)macht von extrem reichen Personen und Unternehmen von der vorherrschenden neoklassischen Wirtschaftslehre nicht als solche erkannt, geschweige denn problematisiert.
Mit ihrem 2020 auf Deutsch erschienenen Buch „Der Code des Kapitals. Wie das Recht Reichtum und Ungleichheit schafft” geht die Rechtsprofessorin Katharina Pistor den konkreten Gestaltungswegen dieser politischen Macht nach. Ausgangspunkt ihrer Überlegungen ist die an sich triviale Feststellung, dass das einklagbare „Recht auf Privateigentum“ nur in Form eines Gesetzes realisierbar ist, also zunächst von einem (staatlichen) Gesetzgeber erlassen werden muss, damit es Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen werden kann.
In ihrem auf dem Buch aufbauenden Vortrag geht Pistor darauf ein, wie
a) das Auseinanderklaffen von Lohnwachstum (Verbraucherpreisinflation) und der Verteuerung von Vermögenswerten (Vermögenspreisinflation) zu einer massiven Konzentration von Vermögen bei den reichsten 10 Prozent der Weltbevölkerung geführt hat
b) transnationale Konzerne und Stiftungen durch die Beauftragung großer Anwaltskanzleien nationales Recht gegeneinander ausspielen und durch vorteilhafte Gerichtsurteile selber zu Akteuren werden, die international geltendes Recht (mit)gestalten, sodass
c) die „soziale Ressource“ der rechtsstaatlichen Gesetzgebung in den letzten Jahrzehnten immer mehr privatisiert und damit entdemokratisiert worden ist,
d) was weltweit zu einer immer geringeren Besteuerung und folglich zu einer noch größeren Konzentration von Privatvermögen und der damit einhergehenden politischen Macht geführt hat.
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Mehr InformationenWenn wir an dieser Stelle versuchen würden, das Wissen aus den bisherigen Quellen systematisch zusammenzufassen, dann müsste unser Zwischenfazit ungefähr wie folgt lauten: In einer Geldgesellschaft wie der unseren geht es darum
a) mithilfe der prinzipiell unbegrenzt zur Verfügung stehenden Sozialtechnologie „Geld“
b) endliche reale Ressourcen wie Arbeitskraft und Rohstoffe zu organisieren und in konsumierbare Güter und Dienstleistungen umzuwandeln,
c) mit denen sich grundlegende menschliche Bedürfnisse wie Nahrung, Kleidung, Wohnen, Sicherheit, Bildung und Mobilität auf möglichst ressourcenschonende Weise befriedigen lassen
d) und die zusammen mit dem entstehenden finanziellen Wohlstand möglichst gerecht und gleichmäßig zu verteilen sind, sodass sie der gesamten Bevölkerung zugutekommen,
e) was wir bislang aber weder auf nationaler noch auf internationaler Ebene realisiert haben.
Als wesentliches Kriterium, was genau und wie viel davon produziert wird, fungiert in einer (freien) Marktwirtschaft der Profit bzw. der Gewinn eines Unternehmens. Das wesentliche Kriterium, wie genau sich dieser produzierte materielle Wohlstand verteilt bzw. wer was konsumieren darf, besteht in der Verteilung von Einnahmen und Geldvermögen innerhalb der Bevölkerung.
Der Philosoph und Sozialökonom Arthur Guerriero ist in seinem Artikel der spannenden Frage nachgegangen, wie viel globales Wirtschaftswachstum wir noch benötigen, wenn sich das zukünftige Wachstum
a) genauso verteilt wie bislang
b) oder aber vollständig bei denen landen würde, die von absoluter Armut betroffen sind, also von weniger als 2,15 US-Dollar pro Tag leben.
Das erstaunliche Ergebnis: Bei bisheriger Verteilung müsste das weltweite Bruttoinlandsprodukt um mehr als 110 Prozent steigen, sich also mehr als verdoppeln – wenn hingegen der gesamte Einkommenszuwachs bei denen landet, die ihn am dringendsten benötigen, würde ein Wachstum von 0,11 Prozent (2,15 US-Dollar pro Tag) bzw. 1,3 Prozent (6,85 US-Dollar pro Tag) ausreichen, um materielle Armut ein für alle Mal zu beseitigen. Wir benötigen also grundsätzlich nicht noch mehr Wirtschaftswachstum – wir benötigen „lediglich“ eine weltweit bessere Verteilung des bestehenden materiellen Wohlstandes.
Link:
https://www.ifsoblog.de/die-ineffizienz-des-wachstums-bei-der-armutsbekaempfung/
Die bisherige Anwendung von „Wissen“ über ökonomische Zusammenhänge kann, wenn wir die weltweiten sozialen Verwerfungen und den Zustand der planetaren Ökosysteme betrachten, nur als ziemlich desaströs beschrieben werden. Dieser pessimistischen Zusammenfassung möchte ich daher zum Schluss eine gute Nachricht gegenüberstellen: Bei all unseren globalen Problemen gehört die Frage nach der „Finanzierung“ staatlicher Ausgaben nicht dazu.
Diese leider immer noch viel zu unbekannte Tatsache gehörte zwar bereits zu den Einsichten von Quelle 4 – dort wurde aber nicht thematisiert, was aus dieser Tatsache folgt, wie wir also die niemals versiegende Fähigkeit von Staaten, neues Geld schöpfen und ausgeben zu können, am sinnvollsten nutzen sollten. Genau diese Frage beantwortet der Fachartikel von Christopher Olk (Dozent für Politische Ökonomie), Colleen Schneider (Umweltökonomin) und Jason Hickel (Wirtschaftsethnologe), in dem er zeigt,
a) dass die gesamtstaatliche Geldschöpfung (also staatlich + privat) sich an den vorhandenen realen Ressourcen orientieren sollte
b) dass unfreiwillige Arbeitslosigkeit mithilfe einer staatlichen Jobgarantie überwunden werden kann
c) dass Steuern nicht der „Finanzierung“ von Staatsausgaben dienen, sondern dazu genutzt werden können, den Überreichtum einiger weniger zu reduzieren und den Konsum von Gütern mit hohem CO2- und Materialfußabdruck unattraktiv zu machen
d) dass die private Geldschöpfung der Banken effektiver reguliert werden sollte, um etwa Spekulation auf Kredit zu verhindern und realwirtschaftliche Investitionen zu fördern
e) dass ein Staat mit eigener Währung verschiedenste „Dienstleistungen“ für seine Bevölkerung (z. B. Bildung, Medizin, Pflege, öffentlicher Personennahverkehr usw.) grundsätzlich immer kostenlos anbieten kann, solange ihm die dafür nötigen Arbeitskräfte und Rohstoffe zur Verfügung stehen.
Bei all diesen Dingen ist die Frage relevant, ob „wir“ das politisch wollen bzw. ob sich dafür ein entsprechender politischer Wille zur Umsetzung finden lässt – denn die Beschaffung von staatlichem Geld und die „Finanzierung“ dieser Dinge ist noch die einfachste aller Aufgaben.
Link: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0921800923002318
Interview: https://www.youtube.com/watch?v=jqiFX3MVtGo
Falls dir die hier aufgeführten Links nicht ausreichen und du auf der Suche nach weiteren Quellen bist: Ich arbeite seit einigen Jahren an einer digitalen Quellensammlung, um auf aus meiner Sicht gesellschaftlich relevantes Wissen aufmerksam zu machen. Die jeweils aktuelle PDF-Datei kann oben in meinem Blogbereich für gesellschaftliche Themen jederzeit heruntergeladen werden.